02_2018 "Ist es Zeit für ein Umdenken in der Alzheimer Forschung ?"
"Unsere vor kurzem getroffene Entscheidung aus der klinischen Entwicklung und der neurowissenschaftlichen Forschung auszutreten war für uns keine Leichte", heißt es zu Beginn der Pressemitteilung in der der Pharmakonzern Pfizer im Januar 2018 ihren Ausstieg aus der Alzheimer Forschung begründet.
Pfizer ist ein gutes Beispiel für Unternehmen die in den letzten Jahren größere Rückschläge in diesem Forschungsbereich einstecken mussten.
Zwischen 2016 und 2018 haben sowohl Eli Lilly & Co. als auch MERCK ihre klinischen Studien z.T. vorzeitig beendet, ohne dass ein eindeutig positiver Effekt auf den Krankheitsverlauf oder die kognitiven Leistungen der Probanden gezeigt werden konnte.
Das vermehrte Scheitern der Wirkstoffe die auf der Amyloid-Hypothese basieren gibt Kritikern immer wieder Aufwind. Die einen plädieren für ein Umdenken in der Alzheimer-Forschung und fordern "man solle nicht weiter auf ein totes Pferd eindreschen", andere dahingegen, darunter einige populärwissenschaftliche Autoren, behaupten Alzheimer sei eine Krankheit die durch einen gesunden Lebenswandel vermieden werden kann.
In diesem Zusammenhang hat sich Pfizer dazu bereit erklärt einige Fragen zu beantworten:
Woran hat Pfizer gearbeitet?
Pfizer hat zahlreiche auf der Amyloid Hypothese beruhende Ansätze bis zur klinischen Anwendung entwickelt: Zwei gegen Amyloid gerichtete Impfstoffe1) (aktive Immunisierung gegen Abeta), passive Immunisierung (Antikörper gegen Abeta,) und verschiedene Sekretase-Inhibitoren2) (Beta- und auch Gamma-Sekretase Hemmer). Darüber hinaus haben wir einen 5HT1a Rezeptor-Antagonisten (Lecozotan) auch klinisch geprüft. Keiner der Kandidaten konnte eine Wirksamkeit zeigen. Nachdem eine Studie mit einem BACE-Inhibitor (β-Sekretase) von MSD (Verubecestat) [von MERCK] auch in frühen Erkrankungsstadien unwirksam war, erscheint es in der Tat sinnvoll, über neue Ansätze nachzudenken.
Wirkstoffe von Pfizer für
- aktive Immunisierung: 2001: AN1792, 2006: ACC-001
- passive Immunisierung: AAB-001
- Beta- und auch Gamma-Sekretase Hemmer: GSI-953
Ist die Amyloid-Hypothese tot?
Es ist zu früh dies zu sagen. Es werden zurzeit noch klinische Prüfungen mit gegen Abeta gerichteten Antikörpern durchgeführt deren Ergebnisse abzuwarten sind. Pfizer wird in Kooperationen neue möglicherweise therapeutisch nutzbare Ansätze suchen. Hierbei kommen uns natürlich auch unsere Erfahrungen auf den Gebieten der Immunologie und Entzündungsforschung (Inflammation) zugute.
Diese eher kritische Ansicht der Amyloid-Hypothese wird nicht von Allen geteilt. Das Unternehmen Janssen (Teil von Johnson & Johnson) zum Beispiel glaubt weiterhin an die Amyloid-Hypothese, die ihrer Meinung nach nur differenzierter angegangen werden muss.
In einem Vortrag von Dr. Diederik Moechars wurde die Möglichkeit angesprochen, dass ein einziges Medikament nicht ausreichen könnte um die Alzheimer-Erkrankung zu verhindern, weshalb Janssen vielseitige Ansätze verfolgt. In ihrer Studie mit einem β-Sekretase-Hemmstoff 3) (JNJ-54861911) führt Janssen eine klinische Studie an Patienten durch, die noch keine Symptome zeigen, aber ein erhöhtes Risiko haben Alzheimer zu entwickeln. Dies steht im Gegensatz zu der von MERCK durchgeführten Studie, deren Probanden alle bereits milde kognitive Symptome zeigten. Der Grund für Janssens frühe Intervention ist die Überlegung, dass das Aβ-Protein im Gehirn erst einen bestimmten Grenzwert überschreiten muss, um die Amyloid-Kaskade in Gang zu setzen.
Darüber hinaus forscht das Team um Dr. Moechars an spezifischeren BACE-Hemmstoffen3) sowie an diversen anderen Aspekten der Krankheit, um zum Beispiel auch die Tau-Pathologie 4) in ihren Behandlungsansatz einbauen zu können.
Für die Amyloid-Hypothese gibt es auch aus der akademischen Forschung immense Rückendeckung. Das „Scheitern“ des Antikörpers Solanezumab wurde unter anderem von Wissenschaftlern wie John Hardy und Dennis Selkoe in ihrem Review „The amyloid hypothesis of Alzheimer’s disease at 25 years“ so erklärt, dass die Behandlung der Probanden zu spät gestartet wurde. Zusätzlich dazu brachte eine mathematische Post-Hoc Analyse der Studie hervor, dass der Krankheitsverlauf bei Patienten mit leichten kognitiven Defiziten, d.h bei denen die am Anfang der Erkrankung stehen, um 35% verlangsamt werden konnte.
Ein weiterer Stolperstein für die Therapie mit Solanezumab könnte laut Prof. Dr. Christian Haass sein, dass der Antikörper durch das im Blut vorkommende Aβ größtenteils vorher schon abgefangen wird und somit sein Ziel im Gehirn nicht in ausreichender Menge erreicht.
Zudem hat ein Antikörper der Firma Biogen namens Aducanumab in einer erweiterten Phase-1b Studie gezeigt, dass die Amyloid-Werte im Gehirn der Probanden sinken und die kognitiven Fähigkeiten im Vergleich zur Placebo-Gruppe langsamer abnehmen. Ob dieser Wirkstoff wirklich wirksam ist wird sich in einer zusätzlichen klinischen Studie zeigen. Es ist natürlich nicht möglich vorherzusagen ob die derzeit laufenden klinischen Studien „das“ Alzheimer-Medikament hervorbringen werden oder mehrere Wirkstoffe zur Behandlung von Morbus Alzheimer nötig sind. Es ist dennoch sinnvoll die Amyloid-Hypothese nicht ad acta zu legen, weil die meisten Belege aus der Forschung gerade diese Hypothese weiter stützen und das Amyloid-Eiweiß weiterhin ein vielversprechendes therapeutisches Ziel ist.
1)Bei der aktiven Immunisierung wird mit einer ungefährlichen Version des Krankheitserregers eine Reaktion des Immunsystems hervorgerufen, die einen dauerhaften Schutz bieten soll. Dahingegen wird bei der passiven Immunisierung direkt ein Konzentrat mit Antikörper gespritzt. Dieses wirkt dann sofort, aber nicht dauerhaft.
2)Das Amlyloid-Eiweiß Aβ wird aus einem Vorläufer mit Hilfe von zwei molekularen Scheren produziert. Dabei erfolgt der erste Schnitt durch die β-Sekretase, der Zweite durch die γ-Sekretase. Dies führt zur Bildung des Eiweißes, das die Amyloid-Kaskade in Gang setzt (siehe Infobox und Artikel 02-2015)
3) Durch den β-Sekretase Hemmstoff, auch BACE-Inhibitor genannt, wird der Schnitt durch die erste molekulare Schere verhindert wodurch die Entstehung des Amyloid-Proteins gestoppt werden soll.
4) Tau ist ein Protein, das sich im Inneren der Zelle befindet und dort für die Stäbilität und den Informationsaustausch zwischen Zellen wichtig ist. Bei der Alzheimer Erkrankung verändert sich dieses Eiweiß und führt zur Bildung von Faserbündeln in der Zelle, den sogenannten Tau-Fibrillen. Diese Fibrillen sind ein entscheidender Faktor beim Sterben der Nervenzellen.
Quellen:
https://www.nature.com/news/failed-alzheimer-s-trial-does-not-kill-leading-theory-of-disease-1.21045
EMBO Molecular Medicine Vol8| No6| 2016 - Review: The amyloid hypothesis of Alzheimer’s disease at 25 years (Dennis J. Selkoe & John Hardy)
(21.03.2018 – 15:38)
https://www.alzforum.org/therapeutics/verubecestat
(21.03.2018 – 15:38)
https://www.alzheimer-forschung.de/alzheimer/wasistalzheimer/veraenderungen-im-gehirn/
(22.03.2018- 14:20
(Textfassung: Alexander Siebert)