01_2023 „Bluthochdruck und Demenz"
Arterielle Hypertonie – bekannt als Bluthochdruck – ist weit verbreitet und betrifft vor allem Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Anfangs macht der Bluthochdruck meist keine oder unspezifische Symptome und wird nur in Vorsorgeuntersuchungen erkannt. Doch langfristig führt Bluthochdruck zu gravierenden Folgen wie Schlaganfall, Herzinfarkt und auch Demenz. Deshalb ist die frühzeitige Erkennung sowie eine wirkungsvolle und dauerhafte Therapie eines zu hohen Blutdrucks von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
In unserer Ambulanz sehen wir sehr viele Patienten, die von ihrem Hausarzt oder Internisten gegen Bluthochdruck medikamentös behandelt werden, deren Werte bei unserer nach internationalen Standards durchgeführten Messung aber dennoch deutlich zu hoch liegen.
Frau Dr. med. Anna Kopczak, Fachärztin für Neurologie, konzipiert und betreut seit fast 7 Jahren am Institut für Schlaganfall und Demenzforschung wissenschaftliche Studien mit den Schwerpunkten Behandlung des Bluthochdrucks und Schlaganfallprävention. EinblickDemenz hat sie zum Thema Bluthochdruck befragt.
1. Was für eine Rolle spielt Bluthochdruck bei Demenz im Alter?
Bluthochdruck spielt in diesem Zusammenhang eine sehr wichtige Rolle. So ist bekannt, dass das Risiko für eine Demenz steigt, wenn man an Bluthochdruck erkrankt ist. Auf der anderen Seite tritt aber auch eine Demenz seltener auf, wenn der Blutdruck gut eingestellt ist. Hier ist also auch Potenzial für die Demenzprävention.
2. Wie wirkt sich Bluthochdruck auf eine Alzheimer-Krankheit aus?
Zunächst wurde der Bluthochdruck nur mit den sog. vaskulären Demenzen in Verbindung gebracht. Nun ist zunehmend bekannt, dass es auch einen Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und der Alzheimer-Krankheit gibt. Ein hoher Blutdruck begünstigt auch das Auftreten einer Alzheimer-Demenz.
3. Wie häufig ist Bluthochdruck? Wodurch wird er ausgelöst? Gibt es Risikofaktoren?
Bluthochdruck ist häufig – fast jeder dritte Bürger in der Bundesrepublik Deutschland leidet an dieser Erkrankung. Daher wird sie zurecht als „Volkskrankheit“ beschrieben.
Bluthochdruck kann ohne eine andere erkennbare Ursache entstehen. Bis zu 90% der Patienten leiden an dieser sog. „essentiellen Hypertonie“. Bei ca. 10% der Patienten ist der Bluthochdruck ein Symptom einer anderen zugrundeliegenden Erkrankung. So kann ein Bluthochdruck als sog. „sekundäre Hypertonie“ beispielsweise die Folge einer Nierenerkrankung oder schwerwiegender Hormonstörungen sein.
Risikofaktoren für einen Bluthochdruck sind die typischen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen. Daneben gibt es einen erhöhten Salzkonsum und viele weitere Risikofaktoren, die die Entstehung eines Bluthochdrucks begünstigen. Aber auch das Alter ist ein Risikofaktor. Je älter wir werden, desto höher ist das Risiko an einem Bluthochdruck zu erkranken.
4. Wie erkennt man, ob man Bluthochdruck hat?
Dafür gibt es eine einfache Methode – die Blutdruckmessung. Das kann jeder zu Hause durchführen. Aber auch beim Arztbesuch kann der Blutdruck gemessen werden. Ebenso bieten einige Apotheken eine Blutdruckmessung an.
5. Welche Blutdruckwerte gelten als normal?
Blutdruckwerte unter 140mmHg systolisch (Druck beim Herzschlag, wenn sich der Herzmuskel zusammenzieht und sauerstoffreiches Blut in die Gefäße pumpt) und unter 90mmHg diastolisch (Druck auf Gefäße, wenn der Herzmuskel erschlafft) sollten angestrebt werden. Als hochnormal werden Blutdruckwerte zwischen 130 und 139mmHg systolisch und zwischen 85 und 89mmHg diastolisch bezeichnet. Werte zwischen 120 und 129mmHg systolisch und zwischen 80 und 84mmHg diastolisch gelten als normal.
6. Gibt es den „Weißkitteleffekt“ – hohe Blutdruckwerte in der Arztpraxis? Welche Werte wären dann akzeptabel?
Ja, den „Weißkitteleffekt“ gibt es in der Tat. Wir hören gelegentlich von Patienten, dass der Blutdruck zu Hause normal oder deutlich niedriger gemessen wird als in der Praxis oder im Krankenhaus. In der Praxis gelten mehrfach gemessene Werte über 140/90mmHg als Bluthochdruck. Optimal wäre es, den Blutdruck nach mindestens 3, besser noch nach 5-minütiger Ruhe im Sitzen zu messen. Das ist eher im häuslichen Bereich möglich. Bei solchen Messungen sollte der Blutdruck unter 135/85mmHg liegen.
Ein Weißkitteleffekt ist aber auch ein Zeichen dafür, dass unter Aufregung der Blutdruck deutlich steigen kann. In solchen Fällen kann eine Blutdruckmessung über 24 Stunden aufzeigen, ob über den Tag verteilt erhöhte Blutdruckwerte auftreten.
7. Ab welchem Alter sollte man seinen Blutdruck regelmäßig messen? Und wie oft?
Das Risiko für einen Bluthochdruck steigt mit dem Alter an. Es gibt jedoch keine Faustregel, ab welchem Alter der Blutdruck regelmäßig gemessen werden soll. Dies hängt u.a. vom individuellen Risikoprofil ab. Daher macht es Sinn generell bei Arztbesuchen, z.B. beim Checkup beim Hausarzt, den Blutdruck zu messen. Wenn dieser erhöht ist, sollte auch im häuslichen Bereich der Blutdruck gemessen werden.
Generell wird empfohlen, den Blutdruck zweimal, ggf. sogar dreimal hintereinander zu messen. So kann bei Aufregung der Blutdruck zunächst erhöht sein. Wenn nach ca. 1-2 Minuten erneut gemessen wird, kann der Blutdruck niedriger ausfallen. Bei zwei Messungen wird dann der zweite Wert in einen Blutdruckpass aufgeschrieben.
Wichtig ist es, zur gleichen Zeit zu messen, damit die Blutdruckwerte vergleichbar sind. Geeignete Messzeitpunkte sind morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Zubettgehen sein. Je nach Bedarf und Blutdruckschwankungen kann auch mehrfach am Tag gemessen werden. Die intensivste Überwachung wäre dann eine 24-Stunden Blutdruckmessung. Es ist bekannt, dass nicht nur der hohe Blutdruck per se schädlich ist, sondern auch starke Blutdruckschwankungen einen ungünstigen Effekt haben.
8. Welche Therapien gibt es?
Zur Behandlung des Bluthochdrucks gibt es medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapieformen. Zu den nicht-medikamentösen Therapieformen gehören z.B. die Reduktion des Salzkonsums, die Gewichtsreduktion und vermehrte körperliche Bewegung. Oft werden zusätzlich Medikamente benötigt. Mittlerweile stehen viele verschiedene Medikamente zur Behandlung eines Bluthochdrucks zur Verfügung. Diese Medikamente können aus verschiedenen Wirkstoffklassen kommen. Dazu gehören beispielsweise sogenannte ACE-Hemmer, Sartane, Calcium-Antagonisten, Diuretika oder Betablocker.
9. Wie verläuft eine Einstellung der Blutdruckmedikation?
Zur Einstellung der Blutdruckmedikation wird zunächst mit einer niedrigen Dosis begonnen, die dann schrittweise bis zum Erreichen des Zielblutdrucks erhöht wird. Heutzutage geht die Tendenz dahin, eher zwei Blutdruckmedikamente in niedriger Dosis zu verabreichen als ein Blutdruckmedikament in hoher Dosis. Die medikamentöse Blutdruckeinstellung sollte aber generell in ärztlicher Rücksprache erfolgen.
10. Kann ein zu hoher Blutdruck sich ohne Medikamente wieder stabilisieren?
Eine milde Hypertonie kann sich in der Tat mit Lebensstiländerungen wieder normalisieren. Bei einer ausgeprägten Hypertonie reicht dies aber in der Regel alleine nicht mehr aus, damit sich die Blutdruckwerte wieder normalisieren.
11. Wie oft sollte im Verlauf überprüft werden, ob die Medikation noch passt?
Zunächst muss der Blutdruckwert im Zielbereich von unter 140mmHg systolisch und unter 90mmHg diastolisch liegen. Nach Erreichen dieses Blutdruckziels sind Kontrollen im Verlauf sinnvoll, um den Therapieerfolg zu sichern. Zudem kann sich auch der Blutdruck mit der Zeit verändern, so dass die Medikamente entsprechend angepasst werden sollten. Daher sollte auch nach erfolgreicher Blutdruckeinstellung der Blutdruck weiterhin kontrolliert werden, jedoch muss es nicht so häufig wie in der Einstellungsphase erfolgen.
Empfohlen werden regelmäßige Blutdruckmessungen morgens und abends jeweils für eine Woche im Monat. Bei diesen häuslichen Blutdruckkontrollen sollte der Durchschnittswert unter 135/85mmHg liegen. Wenn der Blutdruck sehr stabil eingestellt ist, kann im Einzelfall besprochen werden, ob der Blutdruck seltener gemessen werden kann. Dies ist aber eine Entscheidung, die gut überlegt und in ärztlicher Rücksprache erfolgen sollte. Zu hohe Blutdruckwerte sollten immer ernst genommen werden. Schließlich erhöht ein Bluthochdruck nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen wie beispielsweise einen Schlaganfall, sondern auch das Demenzrisiko.
12. Wenn ein Mensch an Alzheimer oder einer anderen Demenz leidet, ist die Einstellung des Blutdrucks dann noch wichtig?
Auf jeden Fall! Wenn der Blutdruck erhöht ist oder wenn die Blutdruckwerte stark schwanken, erhöht sich dadurch signifikant das Risiko für eine Verschlechterung der Alzheimer-Krankheit.
13. Wo kann man sich weiter informieren?
Informationen kann man über den behandelnden Arzt erhalten, in der Regel wird dies der Hausarzt oder sonst der Kardiologe sein. Aber auch im Internet gibt es gute Informationsmöglichkeiten, z.B. auf den Seiten des Robert-Koch-Instituts oder auf der Homepage der Deutschen Hochdruckliga e.V.
Frau Dr. Kopczak, wir danken Ihnen für das Interview und Ihre Zeit.
Das Interview führte Frau Dr. Katharina Bürger und Anna Dewenter.
Zur Person Dr. med. Anna Kopczak:
Frau Dr. Anna Kopczak (*1981) studierte Medizin an der Universität Duisburg-Essen und an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Ihre Promotion in der Physiologischen Chemie schloss sie mit Bestnote ab. Die Ausbildung zur Fachärztin für Neurologie begann sie an der Schön Klinik in Bad Aibling, wo sie fundierte klinische Kenntnisse in der Patientenversorgung erwarb und im Rettungsdienst tätig war. Im Anschluss wechselte sie an das Max-Planck-Institut für Psychiatrie nach München um die Ausbildung zur Fachärztin abzuschließen und sich intensiver der klinischen Forschung zu widmen. Seit 2016 arbeitet sie als Fachärztin für Neurologie am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung, wo sie erfolgreich als Ärztin Patientenversorgung und klinische Forschung miteinander verbindet. So ist Frau Dr. Kopczak als erfahrene Studienärztin an mehreren internationalen Studien zum Schlaganfall und zur Demenz beteiligt, in denen sie u.a. den Zusammenhang zwischen Bluthochdruck sowie Schlaganfall und Demenz untersucht.