03_2019 "Verursacht Parodontose Alzheimer?"

Zahlreiche Studien belegen, dass Entzündungsprozesse, u.a. im Gehirn, eine wichtige Rolle beim Krankheitsverlauf der Alzheimer Krankheit spielen. Parodontose ist eine akute entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates, die durch Bakterien (Porphyromonas gingivalis) verursacht wird. Zurzeit wird ein Zusammenhang zwischen Parodontose und der Alzheimer Erkrankung diskutiert.

Herr Prof. Lichtenthaler, sehen Sie eine Verbindung zwischen diesen beiden Erkrankungen?

Bisher sehe ich noch keine ganz direkte Verbindung. Aber die neue Arbeit des Wissenschaftlerteams aus USA und Polen zeigt, dass sich in Gehirnen von verstorbenen Alzheimerpatienten höhere Mengen von Spuren dieses Parodontose-Bakteriums befinden im Gegensatz zu gesunden Gehirnen, die nur eine geringe Menge der Spuren dieses Bakteriums aufweisen.

Wie gelangen diese Bakterien bzw. Pathogene ins Blut und dann ins Gehirn?

Das ist bisher noch eine komplett offene Frage. Was die Forscher gesehen haben ist, dass das Erbgut der Bakterien im Gehirn zu finden ist. Das spricht eigentlich dafür, dass die Bakterien auch mal selbst im Gehirn waren, aber dort relativ rasch bekämpft worden sind. Das Andere, was von den Bakterien gefunden wurde, sind bestimmte Enzyme -  sog. Proteasen oder molekularen Scheren - , die von den Bakterien abgegeben werden.

Welche genaue Wirkung haben diese Proteasen im Gehirn?

Die Proteasen scheinen genau diejenigen Moleküle zu sein, die die Nervenzellen im Gehirn schädigen. In der Arbeit der Forscher wird genau das sehr gut dargestellt. Wenn man die Proteasen im Experiment auf Nervenzellen gibt, sieht man, dass es dort zu einer schädigenden Wirkung kommt. Unter anderem wurde festgestellt, dass das Protein Tau, welches eine zentrale Rolle bei der Alzheimer Krankheit spielt, rasch durchgeschnitten wird. Zudem haben die Wissenschaftler gezeigt, dass wenn man diese Proteasen ins Gehirn der Mäuse gibt, es dort zu Schädigungen kommt und die Mäuse ähnliche Symptome wie die Alzheimer Erkrankung zeigen.

Nach der neuesten Forschung bedeutet dies also, dass die Proteasen die schädlichen Substanzen sind, gegen die die Wissenschaftler versucht haben einen Wirkstoff herzustellen, der diese Proteasen blockiert. Genau diese Wirkstoffe werden in den ersten klinischen Studien nun überprüft.

Könnten Antibiotika helfen die Bakterien zu bekämpfen?

Das ist eine ganz naheliegende Möglichkeit. Trotzdem ist klar, dass die Antibiotika gegen diese Bakterien nicht vollständig wirken, weil sie im Zahnfleisch nicht überall hinkommen. Zum anderen hat sich in Studien herausgestellt, dass diese Bakterien rasch Resistenzen gegen klassische Antibiotika entwickeln können.

In der neuen Arbeit konnte interessanterweise gezeigt werden, dass keine Resistenzen gegen die neu entwickelten Medikamente, die sich gegen die Proteasen richten, entstanden sind. Das wäre der große Vorteil von diesen Medikamenten, dass sie längerfristig eingesetzt werden können.

Könnte die Ursache auch an mangelnder Mundhygiene im Alter liegen, verursacht durch Demenz?

Das ist natürlich eine logische Vermutung, weil Alzheimerpatienten nicht mehr so gut für sich sorgen können, gerade im fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Aufgrund der neuen Forschung ist aber auch ganz klar, dass die Spuren dieser Bakterien bereits in einer größeren Menge im Gehirn gefunden wurden, als die Person schon erste Veränderungen im Gehirn hatte, aber noch weit davon entfernt war, Symptome der Alzheimer Krankheit zu bekommen. Das macht mangelnde Mundhygiene - bedingt durch die Demenz - unwahrscheinlich.

Was würden Sie als Vorbeugung raten?

Eine gute Mundhygiene ist sicher immer gut und falls jemand Parodontose hat, ist eine Behandlung sehr zu empfehlen. Ein gestärktes Immunsystem, reichlich Bewegung und eine gesunde Ernährung ist ebenso wichtig für eine langanhaltende Gesundheit.

Interview mit Prof. Stefan Lichtenthaler, Textfassung: Alice Suelzen

Zur Person Herr Prof. Stefan Lichtenthaler:

Prof. Lichtenthalers (*1968) Forschungsgebiet sind die molekularen Grundlagen neurodegenerativer Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit. Prof. Lichtenthaler studierte Chemie an den Universitäten Karlsruhe, Montpellier (Frankreich) und Heidelberg. Anschließend promovierte er am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg. Nach einem Postdoc-Aufenthalt an der Harvard-Universität (USA) wurde er Nachwuchsgruppenleiter an der LMU und dort für das Fach Biochemie habilitiert. Professor Stefan Lichtenthaler ist Abteilungsleiter am DZNE München und Leiter des Lehrstuhls Neuroproteomik an der Technischen Universität München.

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