03_2018 „Gibt es bald einen einfachen Bluttest für Alzheimer?“

Die Alzheimer Erkrankung wird unter anderem durch die übermäßige Ablagerung des Eiweißes Amyloid-beta (Amyloid-beta) im Gehirn ausgelöst. Für die Diagnose der Krankheit spielt daher der Amyloid-β-Status des Gehirns eine wichtige Rolle. Zurzeit gibt es mehrere Methoden, diesen Status bei einem Patienten zu bestimmen. Diese sind aufwändig und nicht ganz risikofrei für die Betroffenen. Daher wird ein minimalinvasiver, kosteneffizienter und blutbasierter Biomarker-Test dringend gesucht (zum Thema Biomarker siehe auch EBD Artikel 03_2016). Frühere Studien haben bereits solche Marker im Blut identifizieren können. Bisher ist es jedoch nicht gelungen die Amyloid-β-Marker im Blut nachweislich mit dem Status der Alzheimer Erkrankung in Verbindung zu bringen. Erst kürzlich beschrieb ein japanisches Forscherteam um Akinori Nakamura in der Fachzeitschrift Nature eine neue Methode zur Messung des Amyloid-β-Levels in Blutplasma.

Wir haben uns zu diesem Thema mit einigen Fragen an einen Experten gewandt. Jonathan Vöglein ist Facharzt in der Abteilung für kognitive Neurologie der neurologischen Klinik am Campus Großhadern des Klinikums der Universität München. Dort beschäftigt er sich täglich mit Menschen, die an Alzheimer leiden und kennt die notwendigen Untersuchungen zur erfolgreichen Diagnose der Erkrankung.

Herr Dr. Vöglein, welche Tests werden aktuell im klinischen Alltag für die Diagnose von Alzheimer verwendet?

„Die Diagnose einer Alzheimerdemenz beruht auf mehreren Säulen. Zunächst steht die Erhebung einer ausführlichen Krankengeschichte und einer körperlichen Untersuchung im Vordergrund. Hier liegt der Fokus auf einem möglichen Abbau der Hirnleistung. Insbesondere eine Verschlechterung des Gedächtnisses ist ein typisches Symptom der Alzheimerdemenz, sowie eine Veränderung der räumlichen Orientierung oder der Sprache. Besteht ein Verdacht auf eine Hirnleistungsstörung, sollte diese mittels einer ausführlichen Hirnleistungsprüfung objektiviert werden. Falls nötig, schließen sich dann weitere Untersuchungen an. Zunächst sollte eine Kernspintomographie des Gehirns erfolgen. Hier kann das Muster einer möglichen Hirnschrumpfung hinweisend auf eine Alzheimerdemenz sein. Wichtig ist des Weiteren eine Untersuchung des Nervenwassers (Fachbegriff: Liquor cerebrospinalis). Hier werden die sogenannten Amyloid-β und Tau Eiweiße im Nervenwasser bestimmt. Eine weitere wichtige Untersuchung ist die Messung des Gehirnstoffwechsels mit einer sogenannten FDG-PET Untersuchung (Glucose-Positronen-Emissions-Tomographie). Hier können spezielle Muster einer gestörten Glucoseverwertung, im Gehirn auf eine Alzheimererkrankung hinweisen.“

Bei der Bildgebung durch PET werden schwach radioaktive Substanzen verabreicht. Zur Untersuchung des Nervenwassers muss zunächst eine Punktion der Liqourräume durchgeführt werden. Welche Vorteile hätte ein Bluttest gegenüber den von Ihnen erwähnten bisherigen Verfahren?

„Aktuell basiert die Diagnose einer Alzheimerdemenz auf mehreren, teils aufwendigen Untersuchungen. Der Vorteil eines Bluttests wäre insbesondere eine einfache und schnelle Durchführung. Dies könnte vor allem Menschen zu Gute kommen, die mit den etablierten Untersuchungsverfahren Schwierigkeiten haben, zum Beispiel Menschen mit einem Down-Syndrom.“

Die Autoren der Studie schlagen vor, dass die neue Methode in Zukunft auch im klinischen Alltag Verwendung finden könnte. Allerdings seien dafür noch weitere Tests nötig. Wie lange könnte es Ihrer Meinung nach noch dauern, bis Patienten direkt davon profitieren?

„Das Amyloid-β Eiweiß kommt auch natürlich im Körper vor. Es kann aber krankmachend verändert sein und sich im Gehirn ablagern. Dies stellt nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft den ersten Schritt zur Entwicklung einer Alzheimerdemenz dar. Ein sehr genaues aktuell verfügbares Verfahren Amyloid-β Ablagerungen im Gehirn zu messen ist die sogenannte Amyloid PET Methode. Dies ist ein relativ aufwändiges bildgebendes Verfahren, das nur in speziellen Zentren verfügbar ist.

In der Arbeit von Nakamura und Kollegen wird gezeigt, dass die Ergebnisse der Messung von Amyloid-β Eiweißen im Blut mit einer hohen Genauigkeit mit den Ergebnissen der Amyloid PET Messungen übereinstimmen. Dies ist ein vielversprechender Ansatz und könnte die Diagnose einer Alzheimerdemenz in Zukunft erleichtern. Allerdings ist selbst die Amyloid PET Methode aktuell kein Routineverfahren. Nichtsdestotrotz ist Sie in Einzelfällen eine sehr wichtige und hilfreiche Untersuchung. Vor diesem Hintergrund kann aktuell meines Erachtens nicht abschließend abgeschätzt werden, wann ein Bluttest für Amyloid-β Eiweiße Eingang in den klinischen Alltag finden wird. Der große Nutzen eines solchen Tests liegt für mich zum jetzigen Zeitpunkt in der Möglichkeit schneller und einfacher geeignete Patienten oder Menschen ohne Symptome zu finden, die an Studien zur Erforschung und Behandlung der Alzheimererkrankung teilnehmen wollen.“

Doch wie wurden die neuen Biomarker aus dem Plasma gewonnen?

Amyloid-β Ablagerungen entstehen hauptsächlich aus speziellen Bruchstücken des Amyloid-Vorläuferproteins (APP). Dieses wird im Laufe eines Reifungsprozesses mehrfach geschnitten (siehe hierzu auch EBD Artikel 02_2018) und die kleineren Bruchstücke werden in das Nervengewebe oder auch in das Blut abgegeben. Einige dieser Bruchstücke, z.B. Aβ1-42, sind in der Lage krankmachende Ablagerungen im Gehirn zu bilden und werden als amyloidogen bezeichnet. Andere Bruchstücke wiederum, z.B. Aβ1-40 oder APP669-711 sind nicht amyloidogen.

Um die einzelnen APP-Bruchstücke im Plasma zu identifizieren verwendeten die Forscher die Methode der Immunpräzipitation verbunden mit einer massenspektrometrischen Analyse (siehe Infobox). Nach der Analyse wurden die Verhältnisse der Bruchstücke als Biomarker genutzt. Es wurden also die Plasmalevels von krankmachendem Aβ1-42 mit denen der nicht krankmachenden Fragmente APP669-711 und Aβ1-40 verglichen.

Die Fähigkeit dieser Biomarker, den Amyloid-β Status im Gehirn der Individuen vorherzusagen wurde in zwei unabhängigen Patientengruppen mit den Daten einer Amyloid-PET Analyse abgeglichen. In beiden Gruppen konnte der Amyloid-status mit einer Genauigkeit von ungefähren 90 % vorhergesagt werden.

Wann ein Alzheimer-Bluttest Eingang in den klinischen Alltag finden wird, kann aktuell noch nicht vollständig abgeschätzt werden. Die angesprochene Verwendung zur Rekrutierung von Probanden für wichtige klinische Studien ist eher realisierbar. Denn tatsächlich ist es ein großes Problem, eine ausreichende Anzahl an Probanden für klinische Studien zu finden (siehe hierzu auch EBD Artikel 02_2018 und 03_2015). Dies gilt besonders für diejenigen Menschen, die ein hohes Risiko haben die Krankheit zu entwickeln aber bisher noch ohne Symptome sind. Bei diesen Menschen liegen genetische Veränderungen vor, die eine Alzheimerdemenz im mittleren Lebensalter auslösen. Hinweise für das Vorliegen solch einer genetischen Veränderung können ein Erkrankungsalter vor dem 65. Lebensjahr in Kombination mit einer Häufung der Alzheimerdemenz bei blutsverwandten Familienangehörigen sein, insbesondere wenn diese ebenfalls vor dem 65. Lebensjahr erkrankten.

Gerade diese Personengruppe ist sehr interessant, da sie nach aktueller Meinung vieler Forscher für eine frühzeitige Anti-Amyloid-Therapie in Frage kommen. Aktuell gibt es bereits Behandlungsstudien für Menschen mit solchen genetischen Veränderungen in den USA und anderen Ländern. Eine Durchführung in Deutschland ist in Planung (weitere Information hierzu finden Sie unter: www.klinikum.uni-muenchen.de/Klinik-und-Poliklinik-fuer-Neurologie/de/Klinik/Neurologische_Poliklinik/Kognitive_Neurologie/Studien/dian/index.html und im EBD Artikel 05_2015).

Nun ist es japanischen Forschern zum ersten Mal gelungen die Anwendung und Reproduzierbarkeit von Plasma-Biomarkern als Stellvertreter für die tatsächliche Amyloid-β-Last im Gehirn nachzuweisen. Diese Biomarker Bluttests könnten die Verwendung von aufwendigen Amyloid-PET Scans und Untersuchungen des Nervenwassers ergänzen und so die Rekrutierung für klinische Studien deutlich vereinfachen und beschleunigen. Zusätzlich sind sie kosteneffizienter und bietet eine einfachere Skalierbarkeit für größere Menschengruppen oder sogar Bevölkerungsscreenings.

Quellen:

www.aerzteblatt.de/nachrichten/88989/Bluttest-fuer-den-Morbus-Alzheimer-besteht-ersten-Test

(19.09.2018 – 13:23)

www.nature.com/articles/nature25456

(19.09.2018 – 13:23)

 

(Textfassung: Lukas Brecht)

 

Zur Person Dr. Jonathan Vöglein:

Jonathan Vöglein ist Facharzt für Neurologie in der Abteilung für kognitive Neurologie der neurologischen Poliklinik am Universitätsklinikum Großhadern.

 

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