07_2015
"Mit kognitiven Reserven in den Kampf gegen das Vergessen"

Früherkennung von Erkrankungen ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie. Für viele Krankheiten fehlen aber leider noch Möglichkeiten eine sichere frühe Diagnose zu stellen. So ist es auch bei der Alzheimer Erkrankung und der damit bedingten Demenz.
 
Ablagerungen des Eiweißes Amyloid-beta rufen Endzündungsprozesse im Gehirn hervor und schädigen so die Nervenzellen. Dieser Prozess beginnt allerdings schon lange vor den ersten klinischen Demenzsymptomen. Leider ist es momentan noch nicht möglich den Beginn des neuronalen Verfalls möglichst früh festzustellen und aufzuhalten. Durch Einsetzen der Neurodegeneration beginnt die Aktivität der Nervenzellen im Gehirn abzunehmen und der Energieverbrauch verringert sich - Eine beschädigte Nervenzelle verbraucht weniger Glukose als eine gesunde.
Diesen Mechanismus nutzt Prof. Michael Ewers um herauszufinden, welche Veränderungen im Gehirn ablaufen, wenn erste Symptome einer Demenz einsetzen. Mit der medizinischen Bildgebungsmethode FDG-PET (Fluordesoxyglucose-Positronen Emissions Tomographie) misst sein Forscherteam den Glukoseverbrauch bestimmter Hirnbereiche und kann so Rückschlüsse auf den Zustand der Nervenzellen ziehen. Liegt ein Defizit in der Kommunikation zwischen Nerven vor, wie bei Patienten mit der Alzheimer Demenz, sollte auch der FDG-PET Glukosestoffwechsel sinken. Der Glukoseverbrauch ist daher ein guter Indikator für den Gesundheitszustand des Gehirns.

Studien haben gezeigt, dass Patienten ohne Demenz, aber mit einem genetischen Risikoprofil, bereits eine deutliche Verminderung des Glukosestoffwechsels in tempoparietalen Gehirnregionen (den Scheitel- und Schläfenlappen) aufweisen. So wurden auch in der DIAN Studie Veränderungen im Glukoseverbrauch bei Patienten mit einer genetischen Veränderung, die zur Alzheimer Erkrankung führt, beobachtet. Diese Veränderungen können bereits 10-15 Jahre vor den ersten klinischen Symptomen gemessen werden.
Prof. Ewers untersucht Patienten mit sporadischer, nicht erblicher Form von Alzheimer, vergleicht diese mit gesunden Probanden und erforscht, inwieweit solche frühen Veränderungen im Glukoseverbrauch in den bereits beobachteten Hirnarealen zu sehen sind. Hierbei ist eine verstärkte Verminderung der Verbrauchswerte in Hirnbereichen mit hoher Anreicherung des Amyloid-beta Eiweißes, wie dem Parietalcortex (dem Scheitellappen) erkennbar. Dies gilt nicht nur für Menschen, die bereits Demenzsymptome zeigen, sondern auch für diejenigen, die zwar erhöhte Amyloid-level haben, aber noch keine kognitiven, geistigen Beeinträchtigungen.
FDG-PET wird gerade in den Schläfen- und Scheitelbereichen des Gehirns zu einem vielversprechenden Indikator für zukünftige kognitive Veränderungen, also einer Abnahme der Leistungsfähigkeit des Gehirns. Es ist ein wichtiges Hilfsmittel in der sekundären Prävention, wenn bereits Symptome und krankheitsbedingte Hirnveränderungen vorliegen. Für gesunde Probanden, die bereits Amyloid-beta Ablagerungen aufweisen, könnte dieses Verfahren sich als hilfreich erweisen, den weiteren Verlauf der Krankheit vorherzusagen. In späteren Phasen der Alzheimererkrankung, mit leichten kognitiven Störungen, kann zudem genauer bestimmt werden, wie schnell und mit welcher Wahrscheinlichkeit die Demenzsymptome zunehmen werden.

Doch was kann getan werden, um dem Voranschreiten des Vergessens entgegen zu wirken? Die Antwort lautet „kognitive Reserve“. Kognition ist die mentale Leistungsfähigkeit, das Denkvermögen. Kognitive Reserve beschreibt die Fähigkeit, Schädigungen des Gehirns besser zu tolerieren und das Denkvermögen länger aufrecht zu erhalten. So zeigen Patienten mit hohen kognitiven Reserven und verringertem Glukosestoffwechsel einen geringeren geistigen Rückschritt im Vergleich zu Patienten mit niedrigen Reserven. Demzufolge können Menschen mit hohen mentalen Reserven krankhafte Veränderungen des Gehirns besser kompensieren und dadurch den Verlust von Leistungsfähigkeit hinaus zögern. Allerdings lässt sich leider nicht bestimmen, wie stark „gefüllt“ die Reserven unserer Gehirne sind. Ein großes Problem hierbei ist das fehlende Messgerät.
Nichtsdestotrotz gibt es Faktoren, zu denen Forscher einen Zusammenhang gefunden haben. So wirkt sich die Höhe des Bildungsgrades auf das Denkvermögen aus – Menschen mit relativ hoher Bildung weisen bessere Widerstandsfähigkeit gegenüber geistigem Leistungsverlust auf. Aber auch andere Faktoren tragen zur kognitiven Reserve bei. Im Vordergrund hierbei stehen körperliche und geistige Fitness. Zum Beispiel gibt es Hinweise, dass das Erlernen einer Sprache oder eines Instrumentes, aber auch schon einfache Dinge wie das regelmäßige Lösen von Kreuzworträtseln, sich positiv auswirken. Neue, herausfordernde Aktivitäten und körperliche Bewegung lohnen auch noch im fortgeschrittenen Alter und tragen zur einer besseren Gehirnaktivität bei. Ein Ziel der gegenwärtig von Prof. Ewers initiierten Studien ist es, die Gehirnmechanismen, die der kognitiven Reserve unterliegen, aufzudecken. Hierzu werden funktionelle MRT (Magnetresonanztomographie) Studien während Gedächtnisaufgaben bei Probanden mit normaler oder leicht eingeschränkter mentaler Leistung untersucht.

Nähere Informationen finden Sie in der Gedächtnisambulanz der Universitätsklinik München oder dem Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung.

Interview mit Prof. Dr. Michael Ewers
Text: Julia Herber

 

Zur Person Prof. Dr. Michael Ewers:

Prof. Dr. Michael Ewers ist Gruppenleiter im Bereich Bildgebung und Biomarkerforschung zur Alzheimer Demenz am Institut für Schlaganfall und Demenzforschung am Universitätsklinikum München.

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