04_2017 "Autophagie und Demenz"

Seitdem im letzten Jahr der Nobelpreis für Physiologie und Medizin an den Japaner Yoshinori Ohsumi für seine Arbeit an dem Forschungsthema Autophagie verliehen wurde, ist Autophagie als mögliches Allheilmittel gegen verschiedene Krankheiten in aller Munde.

Doch was bedeutet Autophagie eigentlich und worin besteht der Zusammenhang mit einer Demenz-Erkrankung?

Autophagie setzt sich aus den griechischen Wörtern "auto" = selbst und "phagein" = essen zusammen – Autophagie ist also der Prozess, bei dem sich die Zelle zum Teil „selber isst“. Die Bedeutung der Autophagie, bei der zelleigene Organellen durch denselben Prozess abgebaut werden, wurde lange Zeit nicht erkannt. Yoshinori Ohsumi führte die wegweisenden Experimente bereits in den neunziger Jahren durch, die große physiologische Bedeutung der Autophagie ist aber erst in den letzten Jahren klar geworden. Bei der Autophagie bildet sich eine Membran um zelleigene Bestandteile wie z.B. um ein altes Mitochondrium. Diese Kraftwerke der Zellen spielen eine Hauptrolle bei der Energiegewinnung durch Oxidation. Schließt sich die Membran vollständig um das Mitochondrium, entsteht ein ovales Bläschen (Vesikel), das „Autophagosom“. Daraufhin kommt es zur Verschmelzung mit einem weiteren Vesikel, dem sogenannten Lysosom. Das Lysosom ist prall gefüllt mit molekularen Scheren (Enzymen) und ist dadurch in der Lage, das Mitochondrium abzubauen. Ein wenig erinnert dieser Prozess an den Wertstoffhof, es findet ein Recycling von „Zellschrott“ statt.

Kann Autophagie Demenz verhindern?

Dieser Prozess spielt wahrscheinlich eine bedeutende Rolle bei der Verhinderung von Alterungsprozessen, Krankheiten und auch der Demenz. Schadhafte Zellorganellen, wie z.B. alte Mitochondrien, sind oft „Giftschleudern“ für die Zelle. Defekte Mitochondrien produzieren vermehrt hoch reaktive Sauerstoffradikale, die Proteine, Membranen und sogar die DNA der Zellen schwer schädigen können und so die Zellalterung beschleunigen. Ein frühzeitiger Abbau alternder Mitochondrien verhindert so eine übermäßige Radikalbildung und damit die Schädigung der Zelle. Bei vielen Krankheiten, so auch bei der Alzheimer Demenz, kommt es zu einer verstärkten Ablagerung von Proteinen im Gehirn. Durch den rechtzeitigen Abbau z.B. durch Autophagie bleibt die Zelle länger jung und die Bildung von Ablagerungen wird verhindert.

Autophagie durch Diät und Fasten aktivieren

Doch wie können wir den „Jungbrunnen“ Autophagie nun aktivieren? Eine einfache Methode ist es, die Zellen etwas hungern zu lassen. Bei gleichbleibend hohem Energiebedarf der Zelle und weniger extern zugeführten Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen setzt der Prozess der Autophagie verstärkt ein, um diese Energieträger durch den Abbau zelleigener Organellen zur Verfügung zu stellen. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, weswegen z.B. Mäuse, die eine kalorienreduzierte Diät erhalten, länger leben als Mäuse mit normaler Diät.

Derselbe Mechanismus könnte auch beim Menschen greifen. Im Heimatland des japanischen Nobelpreisträgers gibt es auch die Insel der Hundertjährigen „Okinawa“. Tatsächlich leben dort ungewöhnlich viele Hundertjährige, die Inselbewohner haben weltweit die höchste Lebenserwartung und auch Demenz ist selten. Bei ihnen gibt es den Brauch des „Hara Hachi Bu" – dabei wird nur so viel gegessen, bis man sich zu 80% satt fühlt. Das kurbelt die Autophagie an und hält die Zellen frisch. Auch das intermittierende Fasten, bei dem etwa 16 Stunden am Stück gefastet wird (z.B. das Abendessen ausgelassen wird), soll die Autophagie anregen.

Sport fördert die Autophagie

Wem das wenige Essen oder Fasten nicht liegt, für den gibt es aber noch andere Strategien die Autophagie anzukurbeln. Zum Beispiel versetzt auch Sport die Zellen durch den erhöhten Energiebedarf in einen Zustand, der die Autophagie fördert. Außerdem sollen schwarzer Kaffee und Spermidin, ein z.B. in Soja enthaltenes Polyamin, Autophagie fördern.

Prof. Christian Behrends, ein Mitglied des SyNergy Clusters München, untersucht 34 potentielle Autophagie-Regulatoren, u.a. SMCR8, das die Bildung von Autophagosomen hemmt. Ein genaues Verständnis der Prozesse, die den hilfreichen Vorgang der Autophagie beeinflussen, könnte in Zukunft schließlich zu der Möglichkeit führen, Autophagie auch pharmakologisch zu aktivieren. „Frühjahrssputz“ für den Körper auf Rezept.

 

Zur Person Dr. med Christine Wild-Bode:

Dr. med Christine Wild-Bode hat in Heidelberg Medizin studiert und bei Prof. Haass über die Entstehung des Alzheimer-relevanten ß-Amyloids promoviert. Nach klinischer Tätigkeit in der Neurologie in Tübingen, widmete sie sich dann in München wieder der Alzheimer-Forschung. Heute lehrt sie an der Medizinischen Fakultät der LMU, schreibt Buchbeiträge und entwickelt E-Learning Inhalte.

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