02_2020
"Alzheimer-Proteine verbreiten sich im Gehirn wie eine Infektion"
Bei der Alzheimer-Krankheit reichern sich im Gehirn der betroffenen Patienten zwei Arten von fehlgefalteten Proteinen an: Amyloid- und Tau-Proteine. Wissenschaftler des Instituts für Schlaganfall- und Demenzforschung am LMU Klinikum in München konnten nun zeigen, dass sich Tau-Proteine in zusammenhängenden neuronalen Netzwerken wie bei einer ansteckenden Krankheit ausbreiten. Dazu wurden Prof. Michael Ewers und Dr. Nicolai Franzmeier im folgenden Artikel näher befragt.
Wie ist der Verlauf der Alzheimer-Krankheit auf molekularer Ebene zu verstehen?
Zu Beginn einer Alzheimer-Demenz bilden sich Ablagerungen von Amyloid-Proteinen (sogenannte Plaques) (Artikel 02_2015). Diese Amyloid-Plaques reichern sich außerhalb der Nervenzellen im Gehirn an. Innerhalb der Nervenzellen folgt kurz darauf eine Anhäufung von Tau-Proteinen. Die Tau-Pathologie im Patienten korreliert mit der Ausprägung der klinischen Symptome. Beide Ablagerungen stören die Kommunikation in und zwischen den Nervenzellen, wodurch letztendlich Nervenzellen und Nervenzellverbindungen absterben und Symptome wie Gedächtnisverlust und Orientierungslosigkeit entstehen.
Wie konnten Sie die Ausbreitung der Tau Proteine untersuchen?
Mit Hilfe eines bildgebenden Verfahrens, der sogenannten Tau-PET (Positronen-Emissions-Tomographie, siehe Infobox unten) wurde die Verteilung der Tau-Proteine im Gehirn von Alzheimer-Patienten verfolgt. Hierbei wurden zwei Stichproben mit je 50 Patienten gemacht und zu Beginn mit einem zusätzlichen bildgebenden Verfahren, der MRT (Magnetresonanz-Tomographie, siehe Infobox unten), beleuchtet. Dabei konnte gezeigt werden, welche Hirnregionen in einem funktionellen Netzwerk eng miteinander verbunden sind. Danach wurden die Patienten über ein bis zwei Jahre mit dem Tau-PET-Verfahren untersucht. Mit Hilfe dieser beiden Methoden war es uns möglich, die Frage, ob sich die Ausbreitung der Tau-Proteine im Verlauf der Krankheit anhand der Topologie funktioneller Hirnnetze vorhersagen lässt, zu klären. Und in der Tat, die Tau- Pathologie breitet sich während der Krankheit entlang von miteinander vernetzten Hirnarealen aus.
Wie können denn fehlgefaltete Proteine im Gehirn verbreitet werden?
Hin und wieder kommt es zufällig zu Fehlfaltungen von Proteinen in Körperzellen, sowie auch Zellen im Gehirn. Normalerweise werden diese fehlgefalteten Proteine durch Reparaturmechanismen abgebaut. Mit zunehmenden Alter können allerdings Fehler in diesen Mechanismen auftreten, was deren Abbau verhindert.
Nun gibt es mehrere Hypothesen, wie sich diese fehlgefalteten Proteine im Gehirn ausbreiten können. Eine Möglichkeit ist, dass die fehlgefalteten, nicht abgebauten Proteine sich über Synapsen zwischen den Nervenzellen ausbreiten können und dort „gesunden“ Proteinen ihre falsche Struktur aufzwingen, was zu einer immer stärkeren Anreicherung dieser Proteine führt. Folglich entstehen immer größere Aggregate, welche letztendlich die Funktionen der Nervenzellen so stark stören, dass sich erste Krankheitssymbole bilden.
Und welche Folgerungen können aus Ihrer Studie für zukünftige Therapieansätze gezogen werden?
Die Vorhersage der Ausbreitung der Tau-Proteine könnte wichtige Erkenntnisse über zukünftige Krankheitsverläufe von Patienten, wie zum Beispiel die Abnahme der mentalen Leistung, liefern. So ist es vielleicht schon in naher Zukunft möglich, Patienten ganz individuell, je nach Fortschreiten der Krankheit, zu therapieren.
Betroffene können sich für weiterführende Studien jederzeit auf der Homepage des Instituts für Schlaganfall- und Demenzforschung informieren.
Interview mit Prof. Dr. Michael Ewers und Dr. Nicolai Franzmeier
(Textfassung Dr. Carina Schludi)
Quellen:
Franzmeier, N., Neitzel, J., Rubinski, A. et al. Functional brain architecture is associated with the rate of tau accumulation in Alzheimer’s disease. Nat Commun 11, 347 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-019-14159-1
https://www.alzforum.org/news/research-news/connectivity-not-proximity-predicts-tau-spread
Zur Person Prof. Dr. Michael Ewers:
Prof. Dr. Michael Ewers ist Gruppenleiter im Bereich Bildgebung und Biomarkerforschung zur Alzheimer-Demenz am Institut für Schlaganfall und Demenzforschung am Universitätsklinikum München.
Zur Person Dr. Nicolai Franzmeier:
Dr. Nicolai Franzmeier arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Ewers am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung.
In seiner Forschung kombiniert er multimodale bildgebende Methoden und Biomarker um die Entstehung und Ausbreitung der Hirnpathologie bei Alzheimer-Patienten besser zu verstehen.
INFOBOX
PET (Positronen-Emissions-Tomographie)
PET ist ein bildgebendes, nuklearmedizinisches Verfahren. Mithilfe winziger radioaktiv markierter Teilchen und einer speziellen PET-Kamera werden Stoffwechselvorgänge im Körperinneren für das menschliche Auge sichtbar gemacht. Dem Patienten wird hierbei ein schwach radioaktiv markierter Stoff (Radiotracer) in die Armvene gespritzt. Dieser fließt über das Blut durch den Körper und wird von den Zellen aufgenommen. Nach vollständiger Verteilung im Körper, startet die Messung. Dabei detektieren Spezial-Messgeräte die Strahlung aus den verschiedenen Körperzellen und geben die Daten an einen Computer weiter. Abhängig vom zellulären Energieverbrauch, kommt es zu einer unterschiedlichen Aufnahme des Radiotracers in verschiedenen Körperregionen. Dadurch werden Regionen mit einer verstärkten Speicherung des Radiotracers als leuchtende Areale dargestellt und heben sich deutlich vom umliegenden Gewebe ab. Auf diese Weise können beispielsweise Krebszellen, welche üblicherweise einen sehr hohen Energieverbrauch haben, als besonders leuchtend in der PET dargestellt und so identifiziert werden.
MRT (Magnetresonanz-Tomographie)
Die MRT Methode beruht auf Magnetismus und kann Körperorgane sehr detailliert darstellen. Mit Hilfe eines starken Magnetfelds, zusätzlichen Wechselfeldern, Messantennen und eines Computers werden Schnittbilder des Körperinneren erzeugt. Atomkerne im Körper drehen sich normalerweise um die eigene Achse. Diesen Drehimpuls nennt man auch „Kernspin“. Durch ihre eigene Drehung erzeugen die Atomkerne ein sehr kleines Magnetfeld. Da Wasserstoffkerne im Körper am häufigsten sind, sind diese besonders wichtig bei dieser Methode. Die magnetische Ausrichtung der Wasserstoffkerne ist unter natürlichen Umständen rein zufällig. Legt man jedoch an den Körper von außen ein starkes Magnetfeld, wie bei der MRT, an, dann ordnen sich diese Atomkerne in die gleiche Richtung aus. Zusätzlich zu diesem Magnetfeld gibt das MRT-Gerät Radiowellen einer hohen Frequenz ab, wodurch sich die parallele Ausrichtung der Wasserstoffkerne im Magnetfeld verändert. Nach jedem Radiowellen-Impuls kehren die Wasserstoffkerne dann wieder in die vom Magneten vorgegebene Längsrichtung zurück. Hierbei senden die Atomkerne spezielle Signale aus, die gemessen und dann vom Computer zu Bildern zusammengesetzt werden. Abhängig vom Gehalt der Wasserstoffkerne in den verschiedenen Körpergeweben sendet der Körper unterschiedliche Signale aus, wodurch Gewebetypen voneinander abgegrenzt werden können, zum Beispiel gesundes von krankem Gewebe.
Quellen