08_2015
"Ist Alzheimer ansteckend?"

Eine Studie, welche im November 2015 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, hatte die Frage in den Medien aufgeworfen, ob die Alzheimer-Krankheit eine von Mensch zu Mensch übertragbare Krankheit sein könnte. Diese Frage können wir mit momentanem Wissensstand ganz klar mit Nein beantworten!

Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende Erkrankung, eine Demenzform, die Probleme mit dem Gedächtnis und Verhalten verursacht. Symptome entwickeln sich zu Beginn meist langsam aber schreiten mit der Zeit fort. Alzheimer wird klinisch durch das Vorhandensein von zwei verschiedenen Arten von Eiweiß-Klumpen, den Amyloid-Ablagerungen und Tau-Ablagerungen diagnostiziert. Diese beiden Ablagerungsarten zusammen verursachen eine Schädigung der Nervenzellen, was letztendlich zum Absterben der Nervenzellen führt und dadurch irreversible Gedächtnisverlust verursacht.

In den späten 1960er Jahren entdeckten Wissenschaftler, dass eine seltene neurodegenerative Erkrankung namens Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD), in Rindern besser bekannt als BSE oder Rinderwahn, vom Tier auf den Menschen und auch auf andere Menschen übertragen werden kann. Diese Krankheit gehört zu der Gruppe der Prionen Krankheiten, welche sich durch übertragbare, giftige Eiweißstoffe auszeichnen.

Vor 1985 wurden Kinder mit Wachstumsstörungen mit menschlichen Wachstumshormonen behandelt. Das Wachstumshormon, das zur Behandlung verwendet wurde, wurde aus Gehirnen von Verstorbenen isoliert. Dieses Verfahren wurde jedoch in der Mitte der 80er Jahre gestoppt, als gezeigt werden konnte, dass einige Empfänger die Creutzfeldt-Jacob-Krankheit entwickelten nachdem sie mit den Wachstumshormonen behandelt wurden. Es stellte sich später heraus, dass einige der Wachstumshormon-Spender an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gestorben waren und die von ihnen gewonnen Wachstumshormonpräparate dadurch mit den giftigen Eiweißen der Krankheit verseucht waren. Auf diesem Weg konnten die giftigen Eiweiße auf die Empfänger der Wachstumshormone übertragen werden und diese entwickelten deshalb nach mehreren Jahren die Krankheit.

Forscher um Prof. Collinge am University College London berichteten nun, dass vier von acht Personen, die diese Wachstumshormone erhielten und an der Creutzfeld-Jacob Krankheit erkrankt waren auch unerwarteter Weise Amyloid Ablagerungen im Gehirn entwickelten. Nachdem diese Menschen keine erhöhten Risikofaktoren hatten die Alzheimer Krankheit zu entwickeln und auch keine Fälle in den Familien der Patienten bekannt waren, stellten die Forscher die Theorie auf, dass die giftigen Amyloid Eiweiße der Alzheimer Krankheit wie die giftigen Eiweiße der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit übertragbar sein könnten. Die Forscher betonten jedoch, dass es keine Beweise gibt, dass die Alzheimer-Krankheit oder Prionen-Krankheiten, wie beispielsweise CJD, durch direkten Kontakt übertragen werden können. Es gibt weiterhin auch keine Beweise dass Bluttransfusion das Risiko erhöhen an Alzheimer zu erkranken.

Diese Ergebnisse führten zu großen Diskussionen in den Medien aber auch in der wissenschaftlichen Welt. Mehrere Experten auf dem Gebiet haben deshalb darauf hingewiesen, dass die Forschungsarbeit von Prof. Collinge und seinen Kollegen nicht beweist, dass die Krankheit übertragen werden kann. "Es ist erschreckend, was in der Presse geschrieben wurde", klagte der Alzheimer-Forscher Christian Haass von der Ludwig-Maximilians-Universität und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) München. Professor Haass ist äußerst besorgt über die Massenpanik, die durch die Medien auf Kosten der Patienten, deren Angehörigen und Bezugspersonen ausgelöst wurde. "Nichts, absolut nichts ist bewiesen", betonte Prof. Haass. "Schließlich ist es eine Beobachtungsstudie mit vier sehr speziellen Fällen, die Amyloid-Eiweiß Ablagerungen, aber keine Tau Ablagerungen zeigen und daher kann hier nicht von einer Alzheimer Erkrankung gesprochen werden", präzisiert Prof. Haass. Er betonte, dass "Alzheimer keine Infektionskrankheit sei."

Außerdem erklärte Dennis Selkoe von der Harvard Medical School: "Dieser Bericht ist auf keinen Fall ein Beweis für die Übertragbarkeit von Alzheimer oder sogar ein erhöhtes Risiko der Entwicklung der Erkrankung. "Ein weiterer prominenter Alzheimer-Forscher, John Trojanowski von der University of Pennsylvania, warnte, dass die Studie "mehr Verwirrung stiftet und unangemessene Bedenken in der Öffentlichkeit schürt. Dies hilft weder der Alzheimer noch der Prionen Forschung".

Wissenschaftler werden sich in den nächsten Jahren weiterhin damit beschäftigen zu verstehen, wie sich neurodegenerative Erkrankungen im Laufe der Jahrzehnte entwickeln, und ob eine Übertragung von Mensch zu Mensch eine Rolle bei der Entwicklung der Krankheit spielt.


Samira Parhizkar, Deutsche Fassung Stephanie May

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