03_2015
"Wissenschaftler begeistert – Hoffnung auf Alzheimerimpfung"


Auf einer internationalen Konferenz zu Alzheimer und Parkinson in Nizza im März 2015 stellte die Firma Biogen erste Ergebnisse einer klinischen Studie an Alzheimer-Patienten mit einem neuen Medikament vor. Im folgenden Interview erklärt Prof. Dr. Dr. h.c. Christian Haass, um was für ein Medikament es sich handelt, was die klinische Studie an bisherigen Ergebnissen zeigt und welche Bedeutung die Ergebnisse für die Alzheimerforschung und Betroffene haben.

Herr Prof. Haass, Sie waren bei der Vorstellung der klinischen Studie des Medikaments Aducanumab, das für die Behandlung von Alzheimer entwickelt wurde, dabei. Um was für ein Medikament handelt es sich denn und wie wirkt es?

Man impft gegen die Ursache der Krankheit, nämlich das körpereigene Eiweiß Aß.  Auf die Idee kam man, da manche Menschen ohne an Demenz zu erkranken ein hohes Alter erreichen. Man hat diese Menschen untersucht und fand heraus, dass sie ein bestimmtes körpereigenes Instrument zur Abwehr von Alzheimer besitzen. Dieser Abwehrmechanismus ist spezifisch gegen das körpereigene Eiweiß Aß gerichtet, welches sich in Alzheimer-Patienten in sogenannten Plaques ablagert. Das Aß wird durch die körpereigene Abwehr abgefangen und unschädlich gemacht. Basierend auf diesem "Selbstverteidigungsmechanismus" entwickelte man das Impfkonzept zu dem Medikament Aducanumab weiter.

Die auf der Konferenz präsentierten Ergebnisse basieren auf ersten Daten einer noch andauernden klinischen Studie. Was für Daten wurden präsentiert und wie aussagekräftig sind diese ersten Ergebnisse?

Es wurden die Ergebnisse aus der ersten Phase einer Studie präsentiert, an der knapp 200 Personen teilgenommen haben. Es gab eine Placebo-Gruppe, d.h. ein Personenkreis, dem kein Wirkstoff gegeben wurde, sowie verschiedene Gruppen, die mit unterschiedlich hohen Dosen des Medikaments behandelt wurden. Dies geht bereits über den üblichen Rahmen einer sogenannten Phase I Studie hinaus.
Bei allen Patienten war Alzheimer diagnostiziert worden. Im Lauf der Studie wurde dann die Entwicklung verschiedener Parameter, die den Verlauf der Krankheit abbilden, untersucht. So wurde unter anderem die Menge an abgelagertem Aß untersucht sowie mehrere Messungen zur Gedächtnisleistung der Patienten durchgeführt. Hilft die Therapie, erwartet man eine Abnahme der Aß Plaques und eine konstant bleibende Gedächtnisleistung über die Dauer der Studie. Außerdem wurde untersucht, ob die Gabe des Medikaments zu unerwünschten Nebeneffekten führt.
Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Therapie die Menge der Aß Plaques im Gehirn deutlich reduziert und - das ist für Patienten besonders wichtig - die Gedächtnisleistung blieb im Gegensatz zu Placebo-Gruppe konstant. Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass diese Effekte der Therapie dosisabhängig sind: eine größere Menge Wirkstoff erzielt eine größere Wirkung als eine kleinere Menge. Dies deutet darauf hin, dass die Veränderung der untersuchten Parameter tatsächlich spezifisch durch das Medikament bewirkt wurde.  Erfreulich ist zudem, dass das Medikament relativ wenige Nebenwirkungen zu haben scheint. Lediglich nach den ersten Verabreichungen kam es zu Kopfschmerzen und Benommenheit, die aber oft von den Patienten nicht mit dem Medikament in Verbindung gebracht wurden und die im Laufe der Studie häufig abnahmen.
Die präsentierten Ergebnisse wurden aus dem ersten Jahr der Studie gewonnen. Nun muss man abwarten, was zukünftige Daten aussagen. Die Ergebnisse sind jedoch bereits jetzt sehr vielversprechend. Zum ersten Mal konnte eine deutliche Stabilisierung der Gedächtnisleistung erzielt werden. Sollte sich dies über den weiteren Behandlungszeitraum fortsetzen, wäre das phänomenal! Umkehren lässt sich der Verlust der Gedächtnisleistung jedoch nicht. Das heißt, eine Verbesserung konnte nicht erzielt werden. Man sollte das Medikament bei Alzheimerpatienten daher so früh wie möglich einsetzen, um einem weiteren Verlust der Gedächtnisleistung vorzubeugen!

Sie waren live dabei, als die Ergebnisse der Studie auf der Konferenz vorgestellt wurden. Wie wurde die Präsentation der Studie vom Fachpublikum aufgenommen?

Die Anspannung bei den anwesenden Wissenschaftlern war spürbar, während der Vorstellung der Daten hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können! Es war klar, entweder es gibt nun einen wirklichen Durchbruch mit diesem Therapieansatz, oder man muss komplett umdenken. Jahrelange Grundlagenforschung deutete stark darauf hin, dass eine Therapie gegen Aß Plaques im Gehirn Erfolg haben müsste. Der Erfolg dieser Therapie ist daher von großer wissenschaftlicher Bedeutung. Es zeigt nicht nur, dass Forschung wesentliche Grundlagen für Therapieansätze liefert, sondern belegt auch endgültig, dass Aß Ablagerungen im Gehirn ursächlich für die Alzheimerkrankheit sind.

Welche Auswirkungen wird dies Ihrer Meinung nach auf zukünftige Therapieansätze für Alzheimer haben?

Die Pharmakonzerne sollten angespornt sein, Therapien für die Beseitigung und gegen die Entstehung der Aß Plaques zu entwickeln. Am vielversprechendsten wäre eine Kombinationstherapie dieser beiden Ansätze. Um mögliche Nebenwirkungen gering zu halten, könnte man die Therapie durch einen entzündungshemmenden Wirkstoff ergänzen.

 

Herr Prof. Haass, vielen Dank für das Gespräch.

Anmerkung für Betroffene und Angehörige, die sich für eine mögliche Teilnahme an einer klinischen Studie mit einem Medikament gegen Alzheimer interessieren: Der Ansprechpartner für die Teilnahme an klinischen Studien des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen, DZNE, ist der medizinische Direktor, Prof. Dr. Thomas Klockgether. Den Kontakt finden Sie hier: www.dzne.de/standorte/bonn/forschergruppen/klockgether.html


Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Christian Haass
(Textfassung Katrin Strecker)

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