06_2016 "Kann ein abnehmender Geruchssinn ein Warnsignal für die spätere Entwicklung einer Demenzerkrankung sein?"


Kann ein abnehmender Geruchssinn ein Warnsignal für die spätere Entwicklung einer Demenzerkrankung sein? Wissenschaftler berichten, dass ältere Menschen mit schlechten Resultaten in standardisierten Geruchstests ein höheres Risiko für die künftige Entwicklung einer Demenzerkrankung haben.


"Wie kommt es, dass der Geruchssinn vieler Demenzpatienten oft frühzeitig im Krankheitsverlauf nachlässt?"

Prof. Dr. Ronald Petersen: "In der Alzheimer Erkrankung degenerieren bestimmte Hirnbereiche in einer charakteristischen Reihenfolge. Der Grund für das häufige Auftreten von Geruchsstörungen vor den ersten Anzeichen des Gedächtnisverlustes ist eine frühe Rückbildung (Degeneration) des Riechkolbens im Krankheitsverlauf. Interessanterweise werden Geruchsstörungen jedoch oft zunächst als Geschmackstörung wahrgenommen, da Geschmacks- und Geruchssinn eng verbunden sind. So können Sie sich bestimmt noch daran erinnern, dass Sie während Ihres letzten Schnupfens kaum noch schmecken konnten."


"Sollte man also bei Geruchsstörungen einen Facharzt aufsuchen?"

Prof. Dr. Ronald Petersen: "Experten warnen davor, bei nachlassendem Geruchssinn aus Angst vor Demenzerkrankungen sofort in Panik auszubrechen. Insgesamt gibt es mehr als sechzig verschiedene medizinische Ursachen für einen nachlassenden Geruchssinn, und viele von diesen treten vermehrt im Alter auf. Ein Facharzt kann mit wenigen Tests feststellen, ob die Geruchsstörung beispielsweise durch eine Infektion der Atemwege, einem Schädel-Hirn-Trauma, oder doch beispielsweise durch eine Neurodegeneration der Riechzellen verursacht wird. Vergessen Sie zudem nicht, dass der Geruchssinn auch stark vom Rauchen beeinträchtigt werden kann."


"Sollte der Geruchssinn in Zukunft zur Diagnose von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer getestet werden?"

Prof. Dr. Ronald Petersen: "Da es sich bei standardisierten Geruchstests um günstige Testvarianten handelt, könnten diese in Zukunft vor kostspieligeren Tests angeordnet werden. Dennoch gilt: Ein perfekter Geruchssinn bedeutet nicht, dass man vor Demenz geschützt ist. Und falls Sie im Test scheitern? Schlechte Ergebnisse im Geruchstest sollten mindestens von niedrigen Gedächtnis-Testergebnissen oder auffälligen Hirnscans unterstützt werden, bevor Bedenken vor einer Demenzerkrankung ausgesprochen werden. Ein verringerter Geruchssinn ist nicht spezifisch für Demenzerkrankungen, sondern tritt lediglich vermehrt bei Demenzpatienten im Vergleich zu gesunden Probanden auf. In einer Gedächtnissprechstunde können Demenzerkrankungen mit hoher Verlässlichkeit ausgeschlossen werden. Da der Riechkolben zudem in mehreren neurodegenerativen Erkrankungen degeneriert, kann ein Geruchstest darüber hinaus nicht zwischen verschiedenen spezifischen Erkrankungen, wie z.B. Alzheimer oder Parkinson, differenzieren."

Interview mit Prof. Dr. Petersen
(Textfassung Laura Haas)

 

Zur Person Prof. Dr. Ronald Petersen:

 

Prof. Dr. Petersen leitet das Alzheimer Forschungszentrum der Mayo Klinik in Rochester (Minnesota, USA) und erforscht den Gedächtniszustand während des normalen Alterns sowie während des Verlaufes von Demenzerkrankungen.

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